Das Weisshorn präsentiert sich als formvollendete Pyramide mit grandiosen Graten, es wird von manchen als schönster Berg in den Alpen bezeichnet. Ob das so zutrifft oder nicht, Pete und ich haben uns jedenfalls dieses hochalpine Ziel für Ende Juli 2024 ausgesucht.
Da das Weisshorn in einem herrlich unberührten Gebirgsabschnitt der Walliser Alpen liegt, gibt es hier auch keine Aufstiegshilfen, die 3.100 Höhenmeter vom Tal bis zum Gipfel wollen auf „ehrliche“ Weise erarbeitet werden. Wir haben uns dabei den Normalweg über den Ostgrat vorgenommen, eine sehr anspruchsvolle und lange Hochtour mit ausgesetzten Klettereien im 3. Schwierigkeitsgrad und steilen Firnpassagen bis 45°.
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Beim Aufstieg zur Weisshornhütte |
Die Wetterprognose verspricht stabiles Hochdruckwetter, wir starten am 25.7. um 5 Uhr von Innsbruck und kommen 7 Stunden später in Randa, dem Ausgangspunkt zum Aufstieg auf die Weisshornhütte, an. Nun geht es in der Nachmittagshitze zuerst einmal 1.500 Hm zur Hütte, wo wir vorsorglich bei der freundlichen Wirtin Jaqueline reserviert haben. Der lange Anstieg wird begleitet von der gigantischen Aussicht auf die umliegenden 4.000er rund um das Mattertal, von der Hütte aus soll man sogar insgesamt 22 davon sehen können.
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Die kleine aber feine Weisshornhütte |
Vor dem Abendessen gehen sich noch zwei gemütliche „Quöllfrisch“, dem bekannten Appenzeller Bier aus, wir plaudern auf der Terrasse mit anderen Gipfelaspiranten. Dabei stellt sich heraus, dass morgen insgesamt nur 5 Zweier-Seilschaften Richtung Weisshorn starten werden, drei davon sind geführte Partien.
Um 2 Uhr gibt’s Frühstück, um halb drei beginnt das Abenteuer. Die Bergführer-Seilschaften gehen voran, dahinter Pete und ich, gefolgt von zwei Spaniern. Bald verlieren sich die Lichter der Stirnlampen in der Dunkelheit, wir können das Tempo der ortskundigen Führer nicht mithalten.
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Morgenstimmung auf 3.700 m |
Da die Orientierung im unteren Teil – besonders in der Nacht – nicht einfach ist, finden wir über diese Abschnitte nicht immer die beste Linie, was uns einiges an Zeit kostet. Schließlich wird es auf rund 3.700 m hell, nach weiteren 200 Hm erreichen wir beim sogenannten „Frühstücksplatz“ auf 3.914 m endlich den Ostgrat. Dieser teilt sich nun in zwei Abschnitte, zuerst ein messerscharfer, mit Türmen besetzter Felsgrat, der ab ca. 4.100 m in einen steilen Eis- bzw. Firngrat übergeht.
Der Felsgrat ist weitgehend schneefrei und wunderschön zu klettern. Wir gehen meist am laufenden Seil, mit Felsköpfln als Zwischensicherungen, nur bei den steilen Türmen – der bekannteste ist der Lochmatter-Turm – sichern wir an Fixpunkten. Hier gibt es auch einige Bohrhaken, die dann beim Abstieg als willkommene Abseilstellen dienen.
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Im ersten Teil des Firngrates |
Am Ende des Felsgrats macht sich die Höhe nun schon deutlich bemerkbar, wir sind schon einiges über 4.000 m. Die nun folgenden 400 Hm im Firn bis zum Gipfel ziehen sich eine gefühlte Ewigkeit. Die weiche Firnauflage ist anfangs gut, im oberen Teil aber schon recht dünn, da spürt man schon das Blankeis darunter und muss sehr konzentriert gehen. Zum Abschluss klettern wir noch 50 Hm über die Gipfelfelsen zum Kreuz – nach 8 Stunden stehen wir am höchsten Punkt.
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Gipfelflanke |
Wir schlagen ein zum Bergheil und freuen uns natürlich sehr über das erreichte Ziel. Ein paar Fotos, dann treten wir unverzüglich den Rückweg an, wohl wissend, dass diese Tour erst nach einem gelungenen Abstieg zu Ende ist.
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Bergheil auf 4.505 m |
Wir sind beide ganz schön geschafft, nun heißt es sehr gut aufpassen. Mit ein paar kurzen Pausen klettern wir tieferen Lagen entgegen, was sich sehr positiv auf Kondition und Gemüt auswirkt. Beim Frühstücksplatz auf 3.914 m kehren die Lebensgeister wieder voll zurück, die letzten 1.000 Hm hinunter zur Hütte fallen uns leichter als erwartet. Bei Tageslicht ist die Wegfindung ungleich einfacher, das vorsichtige Abklettern mit zweimaligem Abseilen macht jetzt schon wieder Spaß.

Punkt 17 Uhr, nach insgesamt 14,5 Stunden, sind wir zurück auf der Weisshornhütte. Jetzt kann Entspannung aufkommen, das erste Quöllfrisch genießen wir vor der Hütte. Von der sehr sympathischen Belegschaft werden wir beglückwünscht und bekommen um 18 Uhr das verdiente Abendessen serviert. Wir gestehen uns ein, dass diese Tour für jeden von uns beiden die oder eine der längsten und anstrengendsten jemals gemachten Touren war, sie hat uns sowohl körperlich wie auch mental einiges abverlangt.
Nach einem feinen Frühstück um halb acht treten wir am nächsten Morgen den Abstieg nach Randa an, der in gut zwei Stunden erledigt ist. Bei einem Brunnen in der Nähe unseres Parkplatzes holen wir die Körperpflege der letzten drei Tage nach, da schmeckt anschließend das im Auto noch vorrätige Zipfer umso besser. Bei bestem Wetter und schönen Einblicken in die übrige Schweizer Bergwelt rollen wir über Furka- und Oberalppass der Heimat entgegen.
Drei Tage intensiven Bergerlebnisses liegen hinter uns, wir stellen beide fest, dass man sowas nicht unbedingt jede Woche machen muss. Aber bis zum nächsten Jahr sind die Mühen wahrscheinlich vergessen und die Freuden am Weisshorn bleiben in Erinnerung – beste Voraussetzungen für ein nächstes Westalpen-Abenteuer!

Hemmi